VON DER TOSKANA DES NORDENS BIS ZUM DEUTSCHEN GRAND CANYON

Wenn ihr Lust verspürt, einen Chianti im Val d’Elsa zu trinken und die Abendsonne in den Weinbergen zu genießen, dann könnt ihr entweder in den Flieger steigen, und nach Italien fliegen, oder euch in Freyburg an die Unstrut setzen! In vielerlei Hinsicht, sehen sich diese zwei Gebiete zum Verwechseln ähnlich. Nicht zufällig wird die Saale-Unstrut-Region auch die Toskana des Nordens betitelt und ist das nördlichsten Qualitäts-Weinanbau-Gebiet Deutschlands.

Und doch genießt diese Region verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit - zu Unrecht, wie ich finde! Denn tatsächlich finden sich hier nicht nur Weinreben, Sonnenblumen und gefühlt unendlich lange Kornfelder, sondern eben auch niedliche Ortschaften und imposante Burgen, die auch deutschen Kaisern (Friedrich Barbarossa) als Herberge dienten.

Die Toskana des Nordens

Grundsätzlich hat mich die Mitte bzw. der Osten Deutschlands sehr überrascht. Ich hatte zuvor ein (recht eingestaubtes) bestimmtes Bild dieser Landschaft im Kopf und nicht mit dieser vielfältigen und abwechslungsreichen Gegend gerechnet. Nord-östlich von Freyburg, immer der Saale folgend, gelangt ihr zur geschichtsträchtigen Lutherstadt Wittenberg, in der vor über 500 Jahren der Augustinermönch seine 95 Thesen an die Kirchentür der Schlosskirche geschlagen haben soll. Ich muss zugeben, dass Wittenberg keine Stadt ist, die auf meiner To-Do-Liste stand, obschon mir die Bedeutung der von hier ausgehenden Reformation für Deutschland und der Welt schon bewusst war. Umso schöner ist es, dass ich im Nachhinein nur Gutes über Wittenberg sagen kann. Vor allem eins ist mir neben den altbekannten Sehenswürdigkeiten der Stadt (wie Schlosskirche, Lutherhaus, St. Marienkirche, Luther-Panorama) aufgefallen - sie ist sauber und speziell die Altstadt macht was her. Das klingt möglicherweise ziemlich spießig, doch zumindest für mich bedeutet so etwas auch ein Stück Lebensqualität.

Die Lutherstadt Wittenberg

Abseits der Altstadt hat Wittenberg zumindest für mich auch einige interessante Spots zu bieten. Ein persönliches Highlight war sicherlich der Sonnenaufgang an bzw. über der Elbbrücke. Abermals sind wir nachts aufgestanden, um entsprechend früh vor Ort zu sein und abermals hat es sich mehr als gelohnt! Es war wirklich faszinierend, da die Kombination aus Wasser, Natur, ein feuerrot gefärbter Himmel und die Spiegelung der Brücke einfach atemberaubend war!

Wenn du wissen möchtest, wie ich meine Foto-Trips plane, woher ich weiß, wo und wann die Sonne aufgehen wird; worauf ich achte und welches Equipment du unbedingt dabeihaben solltest, schau dir diesen Artikel von mir an, oder gönn deinen Ohren doch meine Podcast-Episode, die genau diese Fragen klärt!

Sonnenaufgang an der Elbe bei Wittenberg

Mit diesen Eindrücken im Gepäck ging es für uns zurück zur Unterkunft in Wittenberg, wo erfreulicher Weise das Frühstück noch auf uns wartete (wobei das Wort “warten” gar nicht richtig passt, da es ja erst kurz nach sieben Uhr morgens war). Mit aufgeladenen Akkus (eindeutig zweideutig) führte uns der Weg dann hinein in die Landesmitte. Quedlinburg war das nächste Ziel, das uns schon ziemlich nahe an den Harz heranführen sollten.

Mit mehr als 2.500 Fachwerkhäusern, hat Quedlinburg einen ganz speziellen Charakter. Es scheint, als wäre die Zeit vor einigen Dekaden stehen geblieben. Wir waren an einem Samstag dort, sodass neben dem allmorgendlichen Kaffee beim Bäcker auch ein buntes Markttreiben war, sodass man von Käse, Fleisch bis hin Blumen im Grunde alles für den Tag hat einkaufen können.

Die Teufelsmauer im Harz

Nicht nur die Städte am Rande des Harzes haben ihren Reiz, sondern auch die Natur, die, je näher wir dem Harz kamen, bereits darauf hindeutete, dass wir es nicht mit der typisch flachen Landschaft Deutschlands zu tun bekommen würden. Ein ebenso faszinierend, wie beeindruckendes Naturschauspiel ist die so genannte Teufelsmauer. Eine Sandstein-Felsformation, die wie der Name es vermuten lässt, wie eine Mauer gen Himmel ragt und die Landschaft auf insgesamt über 20 Km zu teilen scheint. Die mitunter 20 Meter hohen Einzelfelsen weisen Spuren der Altsteinzeit auf, können demnach bis zu 2.5 Millionen Jahre alt sein. Kurzum: Absolut beeindruckend!

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Nach dem wir es mit dem Teufel aufgenommen hatten, wollten wir uns beim letzten Stopp noch mit Hexen anlegen. Am Rande des Harzes zwischen Thale und Treseburg gelegen, sollte vom so genannten Hexentanzplatz blickend der deutsche Grand Canyon auf uns warten. Wir hatten uns im Vorhinein für einen Sonnenuntergang entschieden, da die Sonne zu dieser Jahreszeit ziemlich genau über dem Tal untergehen sollte und somit einen hoffentlich tollen Anblick ermöglichte. SPOILER: Eine gute Entscheidung!

Hexentanzplatz

Der deutsche Grand Canyon im Harz. Der Blick schweift vom Hexentanzplatz hinüber auf die Rosstreppe. Im Hintergrund kann man, wenn man genau hinschaut, tatsächlich den Brocken erkennen!

Der deutsche Grand Canyon

Wie kommt es, dass die Regionen um Anhalt-Dessau-Wittenberg bzw. die Region Harz (vom Zentralharz um den Brocken mal abgesehen) relativ wenig Aufmerksamkeit erfährt? Bieten sie doch einladende Städte, historisch gewachsene Naturschauspiele und alles nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Ich mein: Ist es nicht verrückt, dass ganze Landstriche künstlich bepflanzt und angelegt werden, um möglichst einem anderen zu ähneln? Die viele-Meter-hohen Pappeln, die die Straßen säumen, ließen mich - obwohl ich selbst noch nicht dort war - an das typische Landschaftsbild der Toskana und ihren Zypressen denken. Und damit haben die Planer von damals also alles richtig gemacht.

Speziell in unserer gegenwärtigen Situation der Corona-Pandemie, rückt ein Urlaub in Deutschland definitiv mehr in den Fokus. Ich kann verstehen, dass es viele Menschen an die Küsten Deutschlands zieht, oder in die Deutschen Alpen. Je nach Wohnort ist man dafür allerdings auch einige Stunden unterwegs… Wenn ihr also auf der Suche nach einem abwechslungsreichen Urlaub seid, bei dem sowohl Natur, Städte und kulturelle Angebote zu überzeugen wissen, und der zentral gelegen ist, dann führt kein Weg an Sachsen-Anhalt vorbei. Und unter uns: Wer kann schon behaupten in wenigen Tagen die Toskana und den Grand Canyon besucht zu haben?! ;)

Solltet ihr wenig Zeit haben, oder über einen Tagesausflug nachdenken, kann ich euch unter anderem
Baden-Württemberg ans Herzlegen.

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HALOGEN #102 - EINE NEUE PODCAST EPISODE

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12 STUNDEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG